Können Träume vor Krankheit warnen?
Forschungsergebnissen zufolge können manche Träume Krankheiten schon Jahre im Voraus ankündigen.
„Das Anfangsstadium von Krankheiten und anderen Störungen, die sich im Körper auszubreiten drohen … manifestieren sich am besten im Schlafzustand (Aristoteles, Zitat in Van de Castle, 1994).
„Von jedem Teil des Körpers führen Nervenstränge zum Gehirn – und diese übermitteln die Anzeichen bevorstehender Krankheit, die das Unterbewusstsein dann in Träume verwandelt.”(Kasatkin, 1967, Zitat in Van de Castle, 1994)
Dass plötzliche Wechsel von Trauminhalten zuverlässig den Beginn von physischen Erkrankungen vorhersagen sollen, wird doch als etwas kontrovers angesehen, obwohl die Erforschung der Rolle somatischer und sensorischer Einflüsse auf Trauminhalte durchaus begründet ist (wie in einem vorhergehenden Beitrag dargelegt).
Die Vorstellung erscheint weniger radikal, wenn man zunächst einmal bedenkt, dass sich vor dem Ausbruch einer Krankheit im Körper messbare Veränderungen ereignen, und zwar bevor erkennbare Symptome auftreten. Diese Tatsache wird in vielen Zweigen diagnostischer Medizin als selbstverständlich vorausgesetzt – wie beispielsweise beim Einsatz von Blutuntersuchungen, um frühe physiologische Anzeichen von Infektionen oder Krankheiten festzustellen. Solche subtile physiologische Veränderungen werden ebenfalls auf unbewusster Ebene vom Gehirn registriert, und können in „prodromale” Träume umgesetzt werden – also Träume, die den Beginn einer Krankheit reflektieren, bevor sich Symptome zeigen. Die Interpretation prodromaler Traumhinweise kann eine besonders nützliche Rolle bei der Früherkennung von Krankheiten spielen.
Um dies zu veranschaulichen, benutzen wir hier das Beispiel einer bevorstehenden Erkältung. Sobald das Immunsystem den Virus erkennt, erfolgen physiologische Reaktionen wie beispielsweise Halsschmerzen, obwohl es eine Weile dauern kann, bis dies physiologisch erkennbar wird. In der Frühphase einer Viruserkrankung und vor dem Erscheinen von irgendwelchen Symptomen könnte man einen Traum haben, in dem man erstickt, und äußerst alarmiert aufwachen; dies wäre dann ein prodromaler Traum. Der Traum enthält direkt relevante Bildlichkeit von der Reaktion des Körpers auf den Virus, i.e. Ersticken aufgrund der Erkältungssymptome. Wenn man die Bedeutung solch eines Traumes erkennt, kann man Zeit zum Ergreifen von Vorbeugemaßnahmen gewinnen, e.g. Kräutertee trinken.
In der Literatur über prodromale Träume werden mehrere Fälle zitiert, die mit ihrer Bildlichkeit direkt auf die entsprechende Krankheit hinweisen. Zum Beispiel ist berichtet worden, dass Träume vor Migräneanfällen Bilder enthielten wie ein Schuss oder ein Blitzschlag in den Kopf. (Warnes & Finkelstein, 1971; Gutheil, 1958).
Ein weiteres Beispiel
Einem Mann, der immer wieder träumte, eine Ratte nage am unteren Teil seines Abdomens … wurde bald darauf die Diagnose gestellt, er habe ein Zwölffingerdarmgeschwür. (Mitchell, 1923)
Wiederholte Bilder von Körperwunden oder Schmerzen sind der offensichtlichste Weg, auf dem Träume vor Krankheiten warnen können. Im Allgemeinen schließen Traumzüge, die mit physischer Krankheit assoziiert sind, auch ein verstärktes Erinnerungsvermögen an Träume ein, außerdem in zunehmendem Maße qualvolle, beängstigende und oft gewalttätige Alpträume, die die ganze Nacht anhalten und sogar mehrere Nächte lang dauern können (Kasatkin, Zitat in Van de Castle, 1994). Dies unterscheidet sie von gewöhnlichen Alpträumen, die normalerweise isoliert in der zweiten Hälfte einer Schlafphase aufzutreten pflegen (DSM-5).
Also Vorsicht bei langen Angstträumen, die nicht enden wollen und die ganze Nacht den Schlaf stören!
Neben dem emotionalen Einfluss werden zunehmend bizarre Träume als Anzeichen von mit Krankheit assoziierter Erschöpfung interpretiert. Wenn unser Körper sich gegen die Krankheit wehrt, brauchen wir eigentlich mehr Tiefschlaf, um das Immunsystem zu stärken; verzögerter Traumschlaf kann dann zu lebhaften und skurrilen Träumen führen. (McNamara, Zitat in Kaur, 2013).
Erinnerung an eine Erkrankung
Ein Mann, der bei einem Aufenthalt in Ägypten unter einer schweren Augenentzündung litt, begann 10 Jahre später plötzlich, regelmäßig von Ägypten zu träumen. Er hatte keine Erklärung für diese ägyptischen Träume, aber bald nach ihrem Auftreten bekam er wieder eine Augenentzündung. (Manaceine, 1897, Zitat in Van de Castle, 1994).
In diesem Fall wurden bei diesem Mann die Erinnerungen an Ägypten durch die Assoziation mit der Augenentzündung ausgelöst. Es ist also nützlich, sich der Erinnerungsquelle für Träume bewusst zu sein, und unerwartete Erinnerungen zu registrieren.
Prodromale Träume sind auch im Zusammenhang mit ernsthafteren Erkrankungen wie Krebs oder neurodegenerativen Störungen analysiert worden. Es gibt empirische Belege für einzelne Fälle, in denen prodromale Träume den Entstehungsherd von Krebs anzeigen. Hier ein Beispiel:
Eine Brustkrebspatientin träumte, sie hätte einen rasierten Kopf, auf dem das Wort “Krebs” zu lesen war. Drei Wochen später erhielt sie die Diagnose, dass der Krebs auf ihr Gehirn übergegriffen hatte. (Siegel, 1983, Zitat in Van de Castle, 1994)
Neurologischen Forschungsergebnissen zufolge sind gewalttätige und aggressive Träume, kombiniert mit physischem Ausspielen des Traumes, (REM Verhaltensstörung genannt) ein frühes Warnsignal für neurogenerative Störungen wie Alzheimer-Krankheit oder Morbus Parkinson, und können manchmal bis zu 10 Jahre vor dem Erscheinen anderer Symptome wie Gedächtnisverlust auftreten. (Postuma, 2014). Darum könnte Analyse und Verständnis von prodromalen Träumen sowohl zum Zweck der Früherkennung als auch zum Ergreifen präventiver Maßnahmen bei einer ganzen Reihe von Krankheiten eine Rolle spielen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Veränderungen im Körper auf unterbewusstem Niveau mit plötzlichen Verschiebungen des Trauminhaltes einhergehen können. Insbesondere Träume von unerwarteten Erinnerungen, wiederholten physischen Verletzungen, oder langwierige Träume mit bizarrer oder gewalttätiger Bildlichkeit könnten Anzeichen einer bevorstehenden Erkrankung darstellen. Wenn man sich diese ungewöhnlichen Traumerfahrungen bewusst macht, ist man vielleicht imstande, dem Einsetzen einer Krankheit mit einer ersten Abwehr zuvorzukommen.
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